Montag, 15. August 2011

Philip Roth - "Der menschliche Makel"


Über den Autor:
Philip Roth wird 1933 in New Jersey als Sohn einer jüdischen Familie geboren. Nach seinem Englisch-Studium und seiner Wehrzeit, unterrichtet er Englisch und beginnt Ende der 1950er Jahre seine schriftstellerische Karriere.
In der Zwischenzeit hat er bereits mehrere Bestseller veröffentlich und gilt als einer der wichtigsten Schriftsteller der Gegenwart.
Er widmet sein Talent größtenteils der gesellschaftskritischen Literatur und wird im gleichen Atemzug mit Schriftstellern wie William Faulkner genannt. Seine Werke drehen sich schwerpunktmäßig um Themen die USA betreffend, Rassismus und allgemeiner Kritik an der modernen Gesellschaft.

Inhalt:
Es geht um den in die Jahre gekommenen jüdischen Professor Coleman Silk, dem nach einer Vorlesung Rassismus gegen Schwarze vorgeworfen wird. Er stürzt sich in den Kampf gegen diese üble Verleumdung. Als seine Frau an einem Schlaganfall stirbt, wirft er der Stadt vor, sie ermordet zu haben. Aufgelöst besucht er seinen Nachbar Nathan und bittet ihn, ein Buch über seine Geschichte zu schreiben.
Jahre nach dem Tod seiner Frau, schreibt er sich vollständig von der Gesellschaft ab und beginnt eine Affäre mit einer deutlich jüngeren Putzfrau der Universität.

Meinung:
Die Geschichte wird aus der Sicht des Schriftsteller-Nachbars erzählt, aber während einzelner Passagen gelingt es Roth mitten im Absatz die Erzählsicht auf den jeweiligen Charakter zu wechseln. Dies geschieht so übergangslos, dass man das Gefühl hat, das Denken der aktuellen Figur sofort zu verstehen. Diese Glanzleistung des Autors sorgt dafür, dass der Roman an diesen Stellen eine Tiefe erhält, die dem Leser nachhaltig in Erinnerung bleibt.

Leider muss ich sagen, dass mir ohne diese kurzen Erzählwechsel wahrscheinlich langweilig geworden wäre.
Die Handlung bietet nur wenige Überraschungen. Der Roman lebt meiner Meinung nach einzig von dem Talent Philip Roths, den Leser in die verschiedensten gesellschaftlichen Blinkwinkel hinein zu versetzen.

Wie so oft, habe ich extra vor dem Lesen nicht einmal den Klappentext gelesen, um mich von der Handlung komplett überraschen zu lassen. Den Anstoß zu diesem Buch bekam ich durch die Veröffentlichung des gleichnamigen Kinofilms von 2003, mit Anthony Hopkins als Dekan Silk und Nicole Kidman als dessen spätere Geliebte. Bevor ich mir den Film anschaue, wollte ich unbedingt erst das Buch lesen. Jetzt bin ich auf den Film gespannt und frage mich, wie sich die Charaktere und Handlungen im Film auflösen.

Schade, dass während Ende des Romans öfters der Wunsch aufkommt, "die Katze würde jetzt endlich mal aus dem Sack kommen". Dafür wird man aber belohnt, durch eine Geschichte die zwar tragisch realistisch ist, aber doch in Wirklichkeit so nicht passiert ist. Auch die scheinbare Machtlosigkeit der einzelnen Charaktere, sich aus ihrer gesellschaftlichen Rolle zu befreien, birgt einen der interessanten Konflikte, mit denen sich der Leser beschäftigt. An dieser Stelle kann man von einer philosophischen, kritischen Beleuchtung der amerikanischen Gesellschaft sprechen.
Ich bin mir aber nicht sicher, ob das Denken der Menschen von anderen Erdteilen genau so "gestrickt" ist.

Fazit:
Die Verstrickungen um den Hauptcharakter und die geniale Erzählkunst von Roth, lassen mich den Roman im Allgemeinen positiv bewerten. Leider gab es für meinen Geschmack zu oft "Durststrecken", die zwischendurch für Langeweile gesorgt haben.

Zitat:
[S. 55]
Die Stille, die einen umgibt, muß der einzige Vertraute sein, den man hat, die Quelle des Vorteils, den man gegenüber anderen genießt.

Autor:Philip Roth
Kategorie:Gesellschaftsroman
Erstveröffentl.:2000
Ausgabe von:2007
Seiten:420
Verlag:SPIEGEL-Verlag
ISBN:3-87763-017-0

Bewertung (max. 5 Pkt.)
Stil:4
Handlung:2
Charaktere:4
Spannung:1
Humor:0
Fantasie:1
Gesamteindruck:3